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Finale Ligure: Mountainbike Enduroparadies oder überbewertet?


Nur knapp 900km Autofahrt und schon war es in Sichtweite: Finale, eine Kleinstadt ca. 60km südwestlich von Genua an der Küste Liguriens. Genau genommen sind es drei Ortschaften, die hier vereint sind: Finalborgo, Varigotti und Finalpia. Im Glauben, hier die Vorzüge der italienischen Riviera genießen zu können und Strand, gutes Essen und für mich feinste handmade Trails in einem sonnigen Gesamtpaket serviert zu bekommen, trafen wir also dort ein – und wurden eines Besseren belehrt. Der Strand in Finale ist in etwa so attraktiv wie ein Donaustrand nach Hochwasser und die Shoppingmöglichkeiten so umfangreich, wie jene in einer österreichischen Landgemeinde - sieht man mal von Souvenirs made in Fernost ab 😒.


Deutlich gehobeneres Niveau bekommt man allerdings bei den Logispreisen geboten. Denn diese lassen selbst jene in vermeintlichen Nobelskiorten á la Lech oder Obergurgel wie den Sommerschlussverkauf bei Pimkie wirken. 450€ für eine Nacht im 1* Hotel (ich wusste noch nicht mal, dass es diese Kategorie überhaupt gibt) darf man auf den Tresen klatschen, zumindest als Walk-in Gast im August. 4* Hotels ohne Hepatitis ABC gibt’s auch, ab 2.900€ die Nacht. Ja nein, dann lieber etwas weniger Komfort.

Gut und verhältnismäßig leistbar ist hier hingegen das Essen. Wer gerne Fisch, Pasta und Pizza isst, wird nicht enttäuscht.


Nun aber zum Wichtigsten: den Trails. Diese durchziehen wie die Adern unter der Haut das Ligurische Hinterland, wo die Berge schon wenige Kilometer landeinwärts über 1.000m hoch in den Himmel ragen (und auf denen im Winter erstaunlicherweise sogar Ski gefahren wird). Die komplette Infrastruktur hier wird übrigens von äußerst motivierten Locals angelegt, von Hand gebaut und liebevoll in Stand gehalten. Und genauso präsentieren sie sich auch.

Relativ schmal, naturbelassen, wenige und insgesamt eher kleine Jumps (die man vor allem vorher genau begutachten sollte, wenn man nicht zur Gemeinschaft der Treehugger gehört), aber spaßig angelegt. Natürlich sind die Trails sich allesamt recht ähnlich. Allerdings gibt es von wirklich easy bis richtig knackig so ziemlich alles. Insgesamt waren aber alle Trails trocken und würden eigentlich zum roosten einladen. Aus Respekt vor der Arbeit der Locals habe ich mich dazu dann aber doch nicht hinreißen lassen.


Wie bereits erwähnt findet man jede Menge Trails nahezu überall im Umkreis von Finale. Die legendärsten und zugleich vielfältigsten beginnen auf dem ehemaligen Nato-Militärstützpunkt am Piano dei Corsi. Er ist ein Überbleibsel aus dem kalten Krieg, der gemeinsam mit drei Windgeneratoren eine recht spezielle Stimmung auf dem einsamen Hochplateau verbreitet. Dieser Spot wird übrigens auch von den vielen Shuttleunternehmen in Finale angefahren. Eine Bergfahrt kostet zwischen 5 und 9€, Halbtages- und Tagestickets inkl. Rundtour an die schönsten Spots gibt es auch.

Nachdem ich aber mit ansehen musste, wie die Bikes der trailhungrigen Gäste auf den teils abenteuerlichen Anhängerkonstruktionen um ihren Lack und die Anbauteile bangen müssen, war ich heilfroh, mit meiner Lisi quasi einen "privaten Shuttledienst" mit im Gepäck zu haben. Ach ja, selber treten geht natürlich auch. In Anbetracht der ohnehin unausweichlichen Tretpassagen zwischen den Trails, muss das aber nicht unbedingt sein. Wichtig: Wer mit dem eigenen Fahrzeug shutteln will, sollte auch gleich einen Satz neuer Stoßdämpfer inkl. Radaufhängungen ins Urlaubsbudget einkalkulieren. Denn was dem Auto in der Region häufig als Straße zugemutet wird, wäre hierzulande nicht mal eines Feldweges würdig. Wer aber über ein SUV oder einen Pickup verfügt, kann sein Fahrzeug hier mal in einem fast würdigen Habitat bewegen.



Noch ruppiger geht’s nur auf den als "schwierig" beschriebenen Trails zu. Felsige Steilpassagen, Stufen, Absätze, lose Steine, knackige Wurzelteppiche, die die Arbeit des Zahnarztes auf eine harte Probe stellen und schlecht eingestellte Fahrwerke sofort enttarnen. Die Trails sind ehrlich in einem schönen Zustand und mit-blockierendem-Hinterrad-um-die-Kurve-eiernde Sickboys sucht man hier erfreulicherweise vergebens. Wer auf den schwierigen Lines hier Spaß hat, kann fahren. Dafür kommt man mit dem einen oder anderen Local ins Gespräch und kann so diverse Geheimtipps abstauben. Außerdem konnte ich bei den Locals eine Selbstverständlichkeit im Fahrstil bewundern, wie ihn auf solchen Trails nur jemand haben kann, der hier beinahe täglich unterwegs ist.




Und falls jemand mal wissen möchte, was die Stars der EWS so unter die Stollen nehmen: Die GPS-Daten der kompletten EWS-Stage gibt’s zum Download. Einen Tag sollte man sich allerdings schon fürs Fahren Zeit nehmen, denn die Strecken sind zwar teilweise recht knifflig, machen aber auch unglaublich Laune auf eine Wiederholung.

Apropos GPS: Ohne ist man hier chancenlos. Da ja alle Trails hier „wild gebaut“ sind, ist auch so gut wie nichts beschildert. D.h. entweder mit GPS fahren oder Shuttle buchen und hoffen, dass das Bike es halbwegs unbeschadet übersteht. Wer sein Bike liebt, klebt die neuralgischen Stellen einfach mit Slappertape oder 3M 2228 ab.


Ist Finale nun also das Finale Enduroparadies oder überbewertet?


Wer seinen Aufenthalt zeitgerecht buchen kann, bekommt hier definitiv eine Unterkunft zu faireren Konditionen als wir es als kurzfristig angereiste Walk-In Gäste bekamen. Das wurde mir vom Tourismusservice bestätigt. Die Sache mit den Shuttles muss jeder für sich selbst entscheiden. Wer so wie ich Schrammen am Bike hasst (umso mehr, wenn man sie nicht selbst verschuldet hat), dem empfehle ich entweder selbst zu shutteln oder es großzügig mit Lackschutzfolie und Gummitape zu schützen. Sieht scheibe aus, lässt den Urlaub aber in besserer Erinnerung bleiben.

Die Trails und noch viel mehr die Region sind einen Besuch jedenfalls wert. Am Besten in der Gruppe anreisen, Endurorucksäcke mit Verpflegung und Tools füllen und Spaß haben. Doch den Hype wie er zum Teil in den Bike Bravo Heftchen um die Gegend entsteht, kann ich dennoch nicht ganz nachvollziehen.

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